Enquete-Kommission Afghanistan: Mängel bei Zielvorgaben und Kommunikation
Die Enquete-Kommission des Bundestages zum Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr hat deutliche Mängel bei den Zielvorgaben und der Kommunikation während der Mission benannt. "Zukünftige Engagements bedürfen einer ausformulierten Strategie, die klare, überprüfbare und realistische Ziele benennt und beabsichtigte Wirkungen definiert", heißt es in dem am Montag in Berlin vorgelegten Abschlussbericht.
Je nach Lageentwicklung sei es zudem wichtig, bei Einsätzen "über eine mit den Verbündeten abgestimmte Exit-Strategie zu entscheiden", heißt es weiter. Wesentlich seien zudem "eine fortlaufende Abstimmung und Kooperation" - sowohl auf nationaler Ebene innerhalb der Regierung und mit dem Parlament, ebenso aber auf internationaler Ebene mit EU, NATO, Vereinten Nationen sowie regionalen und lokalen Partnern.
Aufgabe der Kommission war es, "Lehren aus Afghanistan für das künftige vernetzte Engagement Deutschlands" zu ermitteln. Angeregt werden in insgesamt 72 Empfehlungen unter anderem eine systematische und unabhängige Evaluation sowohl während als auch nach Einsätzen der Bundeswehr. Die Regierung müsse in "einer klaren Kommunikation" kurz- und langfristige Ziele benennen, auch mit Blick auf die mit dem Einsatz verbundenen deutschen Interessen. Eine "konstruktive Fehler- und Lernkultur" soll gefördert werden.
Wichtig sei auch, eigene Fähigkeiten realistisch zu bewerten, heißt es in dem Text. Empfohlen wird außerdem die Einrichtung eines Kabinettsausschusses "zur besseren ressortübergreifenden strategischen Planung und Umsetzung". Alternativ könne der vorhandene Bundessicherheitsrat als Steuerungsinstrument dienen. Um auch kurzfristig auf Krisen reagieren zu können, wird der Aufbau einer strategischen zivilen Personalreserve vorgeschlagen. Entsprechend müsse die Bundeswehr einsatzrelevante Fähigkeiten vorhalten.
Mehrere Kommissionsmitglieder legten zu dem Abschlussbericht Sondervoten vor. Unter anderem Politikerinnen und Politiker der Grünen regen ein deutsches Verbindungsbüro in Kabul an, um internationale Unterstützung für die Menschen in Afghanistan, insbesondere auch für Frauen, unterhalb einer diplomatischen Vertretung zu erleichtern. Die Unionsfraktion dringt auf einen Nationalen Sicherheitsrat im Kanzleramt, um sicherheitsrelevante Informationen zentral zu bündeln und Effizienz und Schnelligkeit von Entscheidungen zu verbessern. Ein solches Gremium befürwortet auch die FDP, einige beteiligte Sachverständige verweisen jedoch auf die Verantwortung des gesamten Kabinetts.
Der Vorsitzende der Enquete-Kommission, der SPD-Politiker Michael Müller, sprach sich anlässlich der Vorlage des Abschlussberichts dafür aus, "neben der militärischen Landes- und Bündnisverteidigung das internationale Krisenmanagement nicht zu vernachlässigen". Zudem müssten die "diplomatischen, humanitären und entwicklungspolitischen Fähigkeiten" gestärkt werden. "Auslandsengagement darf nicht nur militärisch gedacht werden", betonte auch SPD-Obfrau Derya Türk-Nachbaur. Mit Blick auf die aktuelle Lage in Afghanistan warb sie für eine Fortsetzung der humanitären Hilfe für das Land.
Der Obmann der Unionsfraktion, Peter Beyer, wertete den Abschlussbericht als "solide Grundlage" für das weitere Vorgehen. Er forderte aber auch "eine echte Zeitenwende der Außen- und Sicherheitspolitik" und drängte ebenfalls auf einen Nationalen Sicherheitsrat. Für die AfD stellte deren Obmann Jan Nolte fest, der Einsatz der Bundeswehr hätte früher beendet werden müssen. Auch sei der Ansatz, "anderen Kulturen innerhalb kurzer Zeit neue Staatsformen und Werte aufzuzwingen", verfehlt gewesen.
Der 20-jährige Bundeswehr-Einsatz in Afghanistan begann nach den Terroranschlägen in den USA vom 11. September 2001 und endete mit dem Truppenabzug und dann einem Evakuierungseinsatz wegen der Machtübernahme der radikalislamischen Taliban 2021. Während es in der Enquete-Kommission um Lehren aus dem gesamten Einsatzzeitraum ging, konzentrierte sich ein paralleler Untersuchungsausschusses des Bundestages auf die chaotische Endphase der Mission und damit verbundene Versäumnisse.
V.Reding--LiLuX